Geschichte und Kultur von Castellina in Chianti

Der geschichtliche Hintergrund von Castellina in Chianti kann bis ins 7. Jahrhundert vor Christus zurückdatiert werden. Einst hatte sich entlang einer der Hauptrouten über den Gebirgskamm, der sich durch Castellina zieht, eine etruskische Kolonie aus mehreren Dörfern und Weilern gebildet. Der Weg stellte eine Verbindung dar zwischen den großen Städten des maritimen Etrurien - Vulci, Vetulonia und Roselle - und den Märkten des Nordens, insbesondere Spina, der Stadt mit dem bedeutendsten Handelshafen der Adria und dem Tor nach Osten.
Etruskische Hügelgräber am Monte Calvario
Etruskische Hügelgräber am Monte Calvario
In Castellina wurden viele bedeutenden archäologischen Funde ans Tageslicht befördert - insbesondere das imposante Grabgewölbe auf dem Monte Calvario, das etwas außerhalb der Stadt an der Straße nach Florenz liegt und einen Durchmesser von ca. 53 Metern hat. Das Grabmal setzt sich aus vier Gewölben zusammen, die in Form eines in die vier Himmelsrichtungen zeigenden Kreuzes ausgerichtet sind. Der Berg verdankt seinen Namen der kleinen Kapelle, die früher auf dem Gipfel stand und die letzte Station des Kreuzwegs darstellte.

In Poggino, östlich des Dorfes
Fonterutoli und an der alten Straße nach Siena gelegen, haben Archäologen eine kleine Nekropole ausgegraben, die fünf Grabmäler enthält, davon vier mit Grabkammern und eine kleine rechteckige, wie eine Kiste geformte Kammer. Bei den Grabgegenständen gefundene Artefakte machten deutlich, dass im 6. Jahrhundert vor Christi reiche Familien von edler Herkunft in dieser Region lebten. Diese Zeitspanne ist als die Etruskische Periode der größten Pracht bekannt und gilt laut der Aussage des Dionysius von Halicarnassus als "beispiellos".  Die Siedlung Castellina bestand auch in der römischen Zeit bis in das 1. Jahrhundert vor Christus weiter. Spuren einer plötzlichen durch ein Feuer verursachten Zerstörung deuten darauf hin, dass die Stadt dann aber ein tragisches Ende fand.
Pietrafitta
Die Kirche bei Pietrafitta
Il Cassero di Grignano
Turmhaus Il Cassero di Grignano zwischen Castellina und Panzano.
Aufgrund der Strukturen von Castellina selbst aber auch der zahlreichen großartigen befestigten Bauern- und Turmhäuser in der Umgebung erlangte die Stadt im Mittelalter eine gewisse Berühmtheit. Das Turmhaus Cassero di Grignano überblickt zum Beispiel eine Brücke, die über die Flüsse Cerchiaio und Pesa führt, und somit den Handelsverkehr zwischen Castellina und Panzano und somit auch zwischen Siena und Florenz kontrolliert. Pietrafitta und Grignano werden in einer Abgabe erwähnt, die von Marchese Ugo zur Marturi Abtei in 998 gemacht wird.
Castellina stellte eine Grenze zwischen den mächtigen etruskischen von Lucumon regierten Gebieten von Volterra, Chiusi und Fiesole dar, die sowohl in politischer als auch in kultureller Hinsicht im Gegensatz zueinander standen. Die alte Grenze zeigt sich heute in der Trennung der Region von Castellina zwischen der Diözese Siena und Fiesole. Die Stadt Castellina geht in ihrem aktuellen Standort vermutlich auf römische Ursprünge zurück, doch im Laufe der Jahrhunderte sind die Spuren immer mehr verwischt. Man geht davon aus, dass sich die militärische Bedeutung von Castellina im Verlauf des 11. Jahrhunderts ganz entscheidend steigerte als der Name Castellina dei Trebbiesi auftauchte - ein Name der aus dem Adelsgeschlecht der Trebbio stammt,  die wiederum Mitglieder des Bündnis der Familie Conti Guidi waren, der Besitzer eines nahe gelegenen Schlosses, dessen Überreste in Badiola noch sichtbar sind. Im Laufe des 12. Jahrhunderts spielte Castellina innerhalb des Bündnisses von Chianti eine militärische Rolle, was hauptsächlich in seiner strategischen Lage begründet war, die die Kontrolle aller umgebenden Straßen sowie des gesamten Tals des Flusses Elsa möglich machte. Welche große Bedeutung die Stadt in dieser Periode hatte, spiegelt sich in ihrer imposanten in schwerem Stil erbauten Festung wider. Die ganze Stadt war von massiven Mauern und Türmen umgeben und konnte nur durch zwei Tore betreten werden, von denen eines in Richtung Siena und eines in Richtung Florenz zeigte. Leider wurden beide Tore vollständig zerstört - das nach Florenz hin zeigende Tor im Zweiten Weltkrieg. Der Großteil der Mauern steht heute noch, allerdings wurden inzwischen an vielen Stellen Häuser genau an die Wände gebaut.  Diese Festungsmauern waren durch die Jahrhunderte hindurch stille Zeugen von Schlachten, Belagerungen und Zusammenstößen, die allesamt abwechselnde Sieger hervorbrachten. Im Jahr 1397 eroberte Alberico da Barbiano, im Dienst des Herzogs von Mailand stehend, Castellina im Strum. Ein Unterfangen, das den Truppen von Ferdinand von Aragón im Jahr 1452 misslang, als sie sich nach einer Belagerung von 44 Tagen schließlich erfolglos zurückziehen mussten. Im Jahr 1478 wurde die Stadt nach einer langen Belagerung durch den Herzog von Kalabrien gestürmt, obwohl Lorenz der Prächtige, der damals Florenz regierte, den berühmten Architekten Giuliano da Sangallo von Castellina damit beauftragt hatte, die Festungsmauern zu stärken.